Warum wir an Kambodschas Küste gerade hier halten, ist leicht zu erklären: In Sihanoukville befindet sich der erste und einzige Tiefwasserhafen in Kambodscha. Nachdem französische Ingenieure von 1956 bis 1960 den Hafen ausgebaut hatten, stieg die Stadt wirtschaftlich auf. Die meisten Einwohner sind zwar noch Fischer. Aber mittlerweile hat der Tourismus stark an Bedeutung gewonnen, die Strände von Kampong Som sind gut erschlossen und gehören nun nach Angkor Wat zu den Top-Touristenzielen des Landes. Seit 1960 heißt die Stadt nach dem damaligen König Sihanouk. Sihanoukville soll 300.000 Einwohner haben, wird uns vor Ort gesagt, aber irgendwie sieht die Stadt deutlich kleiner aus. Wir schätzen eher 150.000 Einwohner.
Mit dem Bus fahren wir vom Hafen aus ein paar Kilometer hinaus. Auf dem Weg sehen wir viele Bretterbuden, in denen die Menschen wohnen. Immer wieder kommen wir auch an großen eingezäunten oder mit Mauern umgebenen Geländen vorbei. Aber darin befinden sich entweder Brachland oder alte verrostete, ungenutzte Gebäude. Angesichts des geschichtlichen Hintergrundes des Landes vermuten wir folgendes: Die Gelände und Gebäude sind aus der besseren Zeit Kambodschas, vor dem Terrorregime der Roten Khmer. Heute wirken große Teile der Stadt immer noch wie eine Geisterstadt.
18 Kilometer nordöstlich von Sihanoukville liegt der Preah Sihanouk National Park auf einer Halbinsel. Im Volksmund heißt er wegen des dort lebenden Volkes der Ream auch einfach Ream-Nationalpark. Dieser Küstenstreifen ist mit Inseln Mangrovenwäldern und Korallenriffen bespickt. Hier leben Delfine, Affen und Adler – und wir hoffen natürlich, dass wir auch etwas davon sehen. Aber es soll ganz anders kommen. Wir passieren den Flughafen von Sihanoukville und lesen ein Straßenschild, das den Nationalpark ankündigt. Danach biegt der Busfahrer links ab… fährt eine Weile, und dreht dann. Wir wundern uns – offensichtlich läuft hier irgendetwas falsch. Wir fahren in die andere Richtung und kommen zu einem Strand, der nicht gerade sauber ist und recht schmal. Durch alte Strandhütten sind einige Palmen schon hindurchgewachsen. Etwas nach hinten versetzt steht ein Beton-Gebäude, das aussieht wie nach einem Krieg. Auch hier sieht alles danach aus, als wäre es vor 20, 30 Jahren verlassen worden. Das kommt zeitlich hin, denn die Palmen sind so groß wie ungefähr 30 Jahre alte Palmen sind. Unser Bus hält. Wir sind im Nationalpark angekommen. Wie bitte?! Das soll wohl ein schlechter Scherz sein. Wir finden das eher lustig, aber einige andere Gäste im Bus regen sich tierisch auf, dass sie weit und breit keine Tiere sehen können. Auch der Reiseleiter der Astor ist ratlos. Offensichtlich war die Ausflugsbeschreibung der örtlichen Agentur ganz anders – oder wir sind am falschen Ort. Der zweite Teil des Ausfluges soll zum Sokha-Beach führen, dort sollen wir ein Mittagessen bekommen. Doch die Mehrheit im Bus will jetzt erst mal wieder zurück zum Schiff und den Ausflug streichen. Wieder am Schiff angekommen wird uns angeboten, dass jeder, der möchte, noch den zweiten Teil des Ausfluges machen kann. Gut, machen wir. Und für diese Entscheidung werden wir belohnt. Auf diesem Weg sehen wir etwas mehr von der Stadt, wir passieren die touristischeren Gebiete: einige Hotels, Kneipen, Supermärkte – das sieht schon deutlich moderner aus. Und dann kommt das Sokha Beach Hotel. Riesige rote glänzende Dächer mit geschwungenen Dächern im Khmer-Stil, große Statuen am Eingang und goldene Verzierungen. Eine Stretchlimousine steht vor der Tür. Wow. An der Rezeption des Luxus-Hotels erhalten wir einen Prospekt, der auch den Plan der Umgebung zeigt. Auch der Nationalpark ist eingezeichnet. Wir vermuten, dass es den Park vielleicht doch gibt, aber dass die örtliche Agentur den Weg dorthin einfach nicht gefunden hat. Wie auch immer, nun wollen wir noch den Rest des Tages genießen.
Und das ist nicht schwer: Zuerst bekommen wir in dem gepflegten Hotel ein Mittagessen. Ceasar’s Salad, eine Kürbiscremesuppe und ein Curry – sehr lecker. Zum Nachtisch gibt es frische Früchte ausgezeichneter Qualität. Dann sehen wir uns die tolle Hotelanlage an: Ein Pool mit geschwungenen Becken und einer Poolbar, bei der man im Wasser sitzend seine Cocktails schlürfen kann. Noch besser kommt es am Strand: Heller Sandstrand, endlos lang und das Wasser türkis-klar. Wir springen sofort hinein – und können gut weiter hineinlaufen, denn der Boden unter Wasser ist watteweich, nur Sand. Für uns ist das einer der schönsten Strände der Weltreise. Zwar nicht ganz so ruhig und klar wie in der Lagune von Bora Bora, aber hier stören keine abgestorbenen Korallen, auf die man treten könnte. Wir stimmen zu, dass der Sokha-Beach einer der schönsten Strände Kambodschas ist; wobei: Das wäre sogar untertrieben.
Kambodscha. Das Land hat gut 13,4 Millionen Einwohner. Der Altersdurchschnitt liegt bei 21 Jahren, die Lebenserwartung bei nur 59 Jahren. Hauptbevölkerungs-Gruppe sind die Khmer, kleine Gruppen machen Vietnamesen (5 Prozent), Cham (4), Chinesen (1 Prozent) aus. Die Hauptstadt ist Phnom Penh mit 1,5 Millionen Einwohner. Es herrschen gleichmäßig hohe Temperaturen, im Dezember liegen sie immer um 26 Grad und im April im Schnitt um 30 Grad, wobei die Temperaturen bis 40 Grad steigen können. Der Südwestmonsun kommt zwischen Mai und Oktober und zeigt sich in Nachmittagsniederschlägen, wobei die heftigsten Niederschläge im September und Oktober Reisende sogar behindern können. Trockenzeit herrscht von November bis April. Ein großer Teil des Landes ist bewaldet. Im Gebirge gibt es tropischen Regenwald. Im Tiefland sind es Monsun- und Trockenwälder, wenn das Land nicht landwirtschaftlich genutzt wird. In Kambodscha leben 630 geschützte Tierarten, besonders im Nordosten leben wilde Tiere, wie zum Beispiel Indische Elefanten, Tiger, Leoparden oder die Königskobra. Die Bevölkerung ist weitgehend buddhistisch (93 Prozent), sechs Prozent können dem Islam zugeordnet werden. Vor 1970 galt hatte Kambodscha den höchsten Lebensstandard der Region und galt als die Schweiz Südostasiens. Nach dem Terror-Regime der Roten Khmer musste das Land wieder von vorne anfangen, es gilt heute als einer der ärmsten Länder der Welt. Auf der Entwicklungs-Rangliste liegt Kambodscha auf Platz 131 von 177. Unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben 35 Prozent. Die Analphabetenrate liegt bei 26 Prozent. Das Auswärtige Amt warnt vor gewaltsamen Raubüberfällen auf Touristen in touristischen Zentren, in Phnom Penh soll man auf Motorroller-Fahrer achten, die im Vorbeifahren Taschen an sich reißen.
Tempel von Angkor. Angkor Wat steht als bekanntester Name stellvertretend für eine Reihe von Tempelanlagen, diese weisen die dichteste Bebauung von Tempelanlagen weltweit auf. Angkor bedeutet übersetzt Stadt und Wat Tempel. Die alten Städte der Khmer liegen etwas nördlich vom geographischen Zentrum Kambodschas, oberhalb der Stadt Siam Reap. Dort waren zwölf Städte der Khmer zwischen dem 9. und 16. Jahrhundert entstanden – Angkor Wat im 12. Jahrhundert. Besonders erfolgreich waren diese Städte aufgrund ihres komplexen hydraulischen Wassersystems, das die Menschen versorgte. Millionen von Sklaven waren für Bau und Unterhalt im Einsatz und mussten auch verpflegt werden. Doch nach umfangreichen Rodungen der Wälder schlich sich nach und nach immer mehr Erosion ein, was sowohl die Nahrungs- als auch die Wasserversorgung empfindlich störte. Im 14. Jahrhundert konnten die Könige von Angkor ihr Volk nicht mehr ausreichend ernähren. Dazu kamen Angriffe der Thai, die immer stärker zusetzten. Schließlich musste man die Städte aufgeben. Erst im 19. Jahrhundert, nachdem der König von Kambodscha 1863 das Land von Frankreich annektieren ließ, entdeckten französische Archäologen die alten Stätten. Auf internationalen Druck hin musste Thailand 1907 das Gebiet an Kambodscha zurückgeben, welches mittlerweile die größte Touristenattraktion des Landes ist; wenn auch mit dem Schiff nicht direkt erreichbar. Mittlerweile hat Angkor 1 Million Besucher pro Jahr.
Geschichte Kambodschas. 4000 v. Chr. erreichten die ersten Siedler die Region, bauten Häuser, fertigten Töpferwaren an und betrieben Viehwirtschaft. Im 1. Jahrhundert n. Chr. entstand eine Kultur, die vom Handel mit Indien geprägt war – ähnlich wie in Vietnam. Das erklärt auch die Ähnlichkeiten in der Bauweise, etwa bei den Cham-Tempel und den Tempeln von Angkor. Im Die Khmer leben seit dem 2. Jahrhundert in ihren heutigen Siedlungsgebieten. 802 errichtete ein Prinz in Kambodscha die erste Stadt der Khmer. Die Städte erhielten ein bis dahin einzigartiges Bewässerungssystem. Das ermöglichte den Khmer den schnellen Aufstieg. 889 wurde Angkor die Hauptstadt. Bald kontrollierten sie von Angkor aus das Mekongdelta, Teile Vietnams, Laos und Thailand. Es folgten interne Machtkämpfe, aber auch ein Friedensschluss mit den Champa in Südvietnam. Nach und nach entstanden neue Städte, im 12. Jahrhundert auch der Tempelkomplex Angkor Wat. Die gesamte Stadt drum herum, also Angkor, hatte etwa eine Million Einwohner und war damit zu diesem Zeitpunkt wohl die größte Stadt der Welt. Nach Raubbau an der Natur, dem daraus resultierendem Zusammenbruch der Grundversorgung und Angriffen der Thai fiel Angkor Wat im Jahr 1431 – anschließend auch das Reich. Als neue Hauptstadt wurde Phnom Penh im Süden ernannt. Die Khmer führten weiter Krieg mit Thailand und auch mit Vietnam. 1794 annektierte Thailand offiziell Angkor und West-Kambodscha. Auf der anderen Seite eignete sich Vietnam das Mekongdelta an und das spätere Saigon, das bis dahin zu den Khmern gehörte. Folglich fürchtete der Herrscher Kambodschas um die gänzliche Auflösung des Reiches, weshalb er Frankreich darum bat, das Land zu einem Protektorat werden zu lassen. Dies geschah dann 1863. Das ermöglichte französischen Archäologen, Ausgrabungen zu machen, woraufhin sie in Angkor auf die 400 Jahre vergessenen Tempelanlagen stießen. 1907 musste Thailand das Gebiet offiziell zurückgeben. 1941 installierten die Franzosen Prinz Sihanouk als König auf Kambodschas Thron. Im Zweiten Weltkrieg nehmen Japan das Land ein und König Sihanouk kündigt unter dem Einfluss der Japaner alle Verträge mit Frankreich. Nach der Niederlage der Japaner kamen die Franzosen als Schutzmacht zurück. Die Khmer verbündeten sich jedoch mit der Vietminh-Bewegung in Vietnam und führten einen Guerillekrieg gegen die Franzosen. 1954 musste Frankreich die Unabhängigkeit Kambodschas anerkennen. Im selben Jahr dankt Sihanouk als König ab, aber gründet eine Partei und wird Staatsoberhaupt. Im Vietnamkrieg versteckten sich nordvietnamesische Truppen im östlichen Grenzgebiet, weshalb die Amerikaner dieses 1969 bombardierten. Nach Meinung der USA war Sihanouks Regierung nicht entschieden genug gegen die Vietminh vorgegangen. Während einer Auslandsreise wurde Prinz Sihanouk 1970 von kambodschanischen Offizieren mit Hilfe amerikanischer und südvietnamesischer Truppen gestürzt. Daraufhin formierten die kambodschanischen Kommunisten sich zu den Roten Khmern, einer Guerilla-Armee (Die Khmer sind also nicht mit den Roten Khmern gleichzusetzen). Von Nordvietnam unterstützt ergriff Pol Pot die Macht 1975. Phnom Penh wurde innerhalb von 24 Stunden fast komplett entvölkert, alle Menschen sollten im neuen Agrarstaat aufs Land und arbeiten. Bis 1979 starben unter dem Regime der Roten Khmer über zwei Millionen Menschen bei Massakern, Folter, Krankheiten oder Hungerkatastrophen. Insbesondere Mitglieder der Bildungsschicht wurden systematisch getötet, der Rest des Volkes zur Feldarbeit gezwungen. Noch heute hat so ziemlich jeder Kambodschaner mindestens ein Familienmitglied in dieser Zeit verloren. Das Mekong-Delta-Gebiet gehörte im 18. Jahrhundert zum Königreich der Khmer, wurde dann jedoch von Vietnamesen besiedelt. Aber aus den historischen Gründen griffen die Khmer ab 1977 das Grenzgebiet an und verschleppten sogar Vietnamesen ins Gefängnis nach Phnom Penh. Nachdem eine Gruppe Oppositioneller nach Vietnam flüchtete und das Land um Hilfe bat, marschierten vietnamesische Truppen Ende 1978 in Kambodscha ein. Am 7. Januar 1979 eroberten die Vietnamesen Phnom Penh. Daraufhin gab es wieder Schulen und Privatbesitz wurde wieder ermöglicht – aber Vietnam von der Welt verurteilt. Die Roten Khmer zogen sich nach Nordwest-Kambodscha zurück und fingen einen neuen Guerilla-Krieg an. 1989 zog Vietnam ab und die Roten Khmer kehrten zurück. Es entflammte ein neuer Bürgerkrieg. 1991 unterzeichneten vier Bürgerkriegsparteien einen Friedensvertrag, wobei sich die Roten Khmer nicht daran hielten. Erst 1993 gab es erste Wahlen, Sihanouk kehrte zurück und sein Sohn wurde einer von zwei Ministerpräsidenten, wobei der andere, Heng Samrin (Hun Sen), nach einem bewaffneten Konflikt alleiniger Ministerpräsident wurde. Ab 1996 begannen die Roten Khmer, auseinander zu brechen. Im selben Jahr wurde Pol Pot gefasst, verurteilt und starb unter ungeklärten Umständen im Gefängnis. Ende 1998 ergaben sich die letzten Roten Khmer. 2004 trat Sihanouk aus gesundheitlichen Gründen zurück und ernannte einen anderen Sohn zum Nachfolger.
Dieser Artikel nimmt an der Blogparade „Die schönsten Strände Südostasiens“ teil.