Die mächtige Skyline von Hong Kong Island begrüßt uns in der Morgendämmerung: Vor dem rötlichen Himmel erwachen die Wolkenkratzer und die Stadt zum Leben. Leichter Nebel schwebt noch in der Bucht, als die Sonne langsam über die Hügel klettert und ihre ersten zarten goldenen Strahlen auf die Glasgiganten wirft. Dies ist eine der spektakulärsten Hafeneinfahrten der Welt. Wir hören neben uns sogar jemanden sagen, New York sei nichts dagegen.
Hong Kong ist einer der am dichten besiedelten Orte der Erde. Hong Kong ist mit 1107 Quadratkilometern etwas kleiner als Berlin, aber hat mit 7 Millionen doppelt so viele Einwohner. Dazu zählen insgesamt 260 Inseln, von denen aber die meisten klein und leer sind. Ein Viertel der Einwohner leben auf der Hauptinsel. Die extremste Bevölkerungsdichte weisen die dortigen Sozialwohnungen auf, die teilweise 10 bis 15 Quadratmeter groß sind. An einem Fleck leben hier 160.000 Menschen auf einem Quadratkilometer. Das Festland nördlich von Hong Kong Island heißt Kowloon, das per U-Bahn, Autotunnel und Fähre verbunden ist. Kowloon heißt „Neun Drachen“, wobei das einzige, was zum Himmel aufzusteigen scheint, die Wolkenkratzer sind. Auf dem Kowloon-Festland steht der neue größte Turm von Hong Kong, das ICC, International Comerce Centre. Es ist 484 Meter hoch, hat 108 Stockwerke – und steht sogar auf Land, das dem Wasser abgerungen wurde. Der Turm gehört zum Baukonzern SHK – genau wie das zweithöchste Gebäude gegenüber auf Hong Kong Island, das IFC – International Finance Centre. Hier sind es gerade einmal 415 Meter und 88 Stockwerke. Von der Architektur ist es aber das modernste. Die Kuppel hat abgerundete Klingen, weshalb es bei den Hong Kong Chinesen auch als Rasierapparat bekannt ist. Ein weiteres bekanntes Gebäude ist der schlanke schwarze Glasturm mit weißen Dreieck-Streben und zwei weißen Antennen auf dem Dach: Es gehört zur Bank of China und ist 315 Meter hoch. Beim Bau standen sogar schon einmal ein paar Stockwerke, bis man den Feng-Shui-Meister vergessen hatte und dieser dann in seiner Konsultation die Bauweise kritisierte. Daraufhin riss man das Gebäude wieder ab und fing noch einmal von vorne an. Möglich sind die hohen Bauten, weil der Untergrund ähnlich wie in New York aus festem Granit besteht. Und zum Gerüstbau verwenden die Chinesen traditionell Bambus, der sogar stärker als Stahl ist. Mit Bambus kann man Gerüste über bis zu 40 Stockwerke ziehen.
Von unserem Liegeplatz am neu gebauten Ocean Terminal ist es nicht weit zum Fährenterminal. Schon zur frühen Stunde sind die Fähren voll. Die Chinesen pendeln aus allen Teilen der Stadt ins Zentrum, nach Hong Kong Island. Die Star Ferrys sind traditionell in Grün-Weiß gekleidet und bringen uns für umgerechnet 22 Cent direkt zu Central Hong Kong Island, wo auch schon die Busse auf uns warten. Noch ist es recht kühl, die kalte Japanströmung kommt hier in der Bucht an und macht das Wasser etwas kälter, und die Feuchtigkeit kondensiert, was immer zu einem leichten Dunst führt. Doch zwischen den Wolkenkratzern ist es schon trocken und die Sonne wird stärker. Wir entscheiden uns für eine Rundfahrt mit einem offenen Doppeldeckerbus und tauchen ein in die Schluchten der Stadt. Schier endlos erstrecken sich die Glas und Betonfassaden in den Himmel. Etwa die beiden Lippo-Towers mit 187 Metern, die geschwungenen Linien zwischen den Fenstern wirken geradezu kunstvoll. Unten pulsiert das Leben. Geschäfte wohin das Auge reicht: Von schummrigen Straßenständen bis Luxusboutiquen gibt es hier mehr als genug. Der Geruch von Geld liegt in der Luft, wenn man an den ausladende Filialen von Cartier, Louis Vuitton oder Gucci vorbeisaust.
Auch in den „normalen“ Geschäften ist es edel und teuer, wenn man mal billige Massenartikel wie Plastikfiguren oder Schlüsselanhänger außen vor lässt. Die Menschen, die hier leben, sind stilvoll und sündhaft teuer gekleidet. Hong Kong ist ein führender Weltfinanz- und Handelplatz. Wer im Zentrum arbeitet muss gut verdienen, um sich die exorbitanten Mietpreise leisten zu können. 30 bis 60 Quadratmeter in den schäbigen Wohntowern kosten 700 bis 900 Euro Miete pro Monat. Hotelzimmer gibt’s übrigens auch für 1500 Euro pro Monat. 95 Prozent der Einwohner sind Chinesen, die die liberaleren Gesetze schätzen und von der Wirtschaftsleistung profitieren, die ihren Lebensstandard nach oben katapultiert hat. Und hier gilt schließlich immer noch britisches Recht und Meinungsfreiheit, was natürlich eine klare Abgrenzung zum restlichen China ist. Und in Hong Kong gilt noch Linksverkehr, noch ein Unterschied zu China. Das ist offensichtlich genug Motivation, um sechs Tage bzw. 52 Stunden in der Woche zu arbeiten. Und das bei einer Woche Urlaub pro Jahr. Die Einkommen reichen von umgerechnet 600 Euro für Reinigungskräfte über 700 Euro für Fahrer, 1600 Euro für Polizisten bis hin zu Krankenschwestern mit über 4000 Euro und Ärzten mit über 10.000 Euro. Krankenschwestern sind nämlich Mangelware. Anders sieht das mit Luxusautos aus: In der Stadt gibt es über 2300 Porsche, 400 Ferrari und 40.000 Mercedes. Dabei ist der Import von Fahrzeugen extrem teuer. Insgesamt spielt der öffentliche Verkehr eine viel größere Rolle. Nur wenn ein großer Taifun umherzieht, dann freuen sich alle, ganz im Gegensatz zu anderen Regionen dieser Erde. Unser Guide Henry sagt: „Wir lieben Taifun, weil wir dann nix arbeiten!“ Abgesehen davon, dass er ganz süß immer „nix“ sagt, weil Ausländer das deutsche ch schwer aussprechen können, überrascht er uns mit einem einwandfreien Deutsch. Schon die Kinder werden hier früh und gut ausgebildet, mit drei müssen sie lesen und schreiben können.
Viele Schulen befinden sich auf Hong Kongs Hausberg. Der Bus Nummer 15 fährt hinauf bis zum Victoria Peak auf 552 Meter. Und hier oben, scheinbar ganz abgeschieden, steht eine riesige Mall. Mit McDonalds, Elektronik-Läden und Madame Tussauds’ Hong Kong. Eine andere Möglichkeit, hier hoch zu kommen, ist die Peak Tram, eine Seilbahn, die „unten“ neben der Bank auf China in der Gardenroad ihre Talstation hat und bis zur Mall nach oben fährt. Der Ausblick ist atemberaubend: Wie die Stäbchen aneinandergereiht stehen hier die Wolkenkratzer und lassen einen gar nicht richtig fassen, die Menschen so etwas vollbringen können. Wir erwischen gegen 15 Uhr eine gute Zeit, weil die Sonne nicht mehr mittig über den Gebäuden steht, sondern schon etwas von hinten scheint. Gut zwei Stunden später liegt die Stadt dann schon im Schatten, weil sie zur Bucht hin nach Norden ausgerichtet ist. In der Bucht sehen wir von ganz oben übrigens auch die Ausmaße des Containerhafens: Dutzende Frachtschiffe liegen auf Reede, und in Zahlen waren es im Jahr 2010 sogar über 16 Millionen Container, die hier gelöscht oder geladen wurden.
Am Abend wechseln wir unsere Aussichtsplattform zurück aufs Schiff und schauen uns Uhr die beeindruckenste Skyline der Welt an – bei Nacht. Die Lichter der Stadt legen sich wie ein Diamantcollier um Hong Kong Island. Seit 2004 gibt es jeden Abend um 20 Uhr die so genannte Symphony of Lights, eine Licht- und Lasershow, an der auf beiden Seiten (Hong Kong Island und Kowloon) 34 Gebäude teilnehmen. Grüne Laser und weiße Lichtkegel schießen in den samtschwarzen Himmel, Gebäude erleuchten in verschiedenen Farben. Dieses Leuchtspiel verleiht der ohnehin schon überwältigen Silhouette eine ganz besonders farbenprächtiges Kleid.
Geschichte von Hong Kong. Im 16. Jahrhundert kamen die ersten europäischen Händler, zunächst die Portugiesen. Nach dem ersten Opiumkrieg fiel Hong Kong 1841 an Großbritannien, nach dem Vertrag von 1842 wurde dieser Status gefestigt. 1898 verpachtete China zusätzliche Territorien auf dem Festland an Großbritannien – für 99 Jahre (also bis 1997). 1911 flüchteten viele Menschen nach einem innenpolitischen Machtwechsel nach Hong Kong. Nach dem Einmarsch der Japaner in China im Zweiten Weltkrieg flüchteten weitere Menschen nach Hong Kong, so dass die Bevölkerung auf 1,5 Millionen wuchs. 1941 nahmen die Japaner auch Hong Kong ein. Nach dem Ende des Krieges betrugt die Bevölkerungszahl schätzungsweise nur noch 500.000 – viele Menschen waren verhungert, verhaftet oder verschleppt. Beim Kommunistischen Machtwechsel 1949 kamen erneut viele Flüchtlinge, was die Bevölkerung wieder auf 2 Millionen brachte. Die britische Kolonialregierung machte 1962 die Grenzen dicht. 1984 vereinbarten China und Großbritannien, dass nach der Rückgabe an China Hong Kong 50 Jahre lang weiter Sonderzone bleibt. So hat Hong Kong auch nach 1997 noch eine demokratische Regierung, Meinungsfreiheit, einen freien Arbeitsmarkt und ein britisches Rechtssystem. Der Name Hong Kongs „Duftender Hafen“ hat übrigens zwei Erklärungen: die eine bezieht sich auf den Duft des Opiums, die andere auf den Duft der Räucherstäbchen, weil es auf Hong Kong bedeutende Räucherstäbchen-Fabriken gab.
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