Holá Guatemala! 21. Tag

30. August 2011
AtitlanSee

Wir legen morgens früh an im Industriehafen Puerto Quetzal, dem größten Hafen des Landes an der Pazifikküste. Beim Aufstehen in der Kabine riechen wir Rauch – und sind sofort alarmiert. Brennt es? Wir rufen sofort die Rezeption an – die beruhigt. Der Rauch komme von der Außenluft über die Klimaanlage. Eine Vermutung ist, dass vielleicht Rauch von einem der 36 Vulkane Guatemalas in der Luft liegt. Im Hafen selbst ist außer Hafenindustrie nicht viel. Sämtliche Ausflüge führen ins Landesinnere. Guatemala Stadt ist über eine Stunde mit dem Auto oder mit dem Bus entfernt. Wir fahren mit dem Bus Richtung Atitlán-See, einer der Touristenattraktionen des Landes neben den alten Maya-Stätten. Zu den ehemaligen Städten der Hochkultur müsste man fliegen, um dies in einem Tag zu schaffen. Sie liegen im Nord-Osten des Landes nahe der Grenze zu Mexiko. Unser Ziel liegt dagegen etwas im Landesinneren, gut 100 Kilometer westlich von Guatemala Stadt.

Truck mit Zuckerrohr

Zuckerrohr wird hier in Mengen angebaut

 

Auf dem Weg zum See realisieren wir, warum es hier überall nach Rauch liegt. Abgeerntete Felder werden hier abgebrannt, um so wieder für neue Nährstoffe zu sorgen. Andere Felder stehen gerade in der Blüte: Wir fahren vorbei an hohen Zuckerrohrpflanzen, riesige Plantagen. Dazwischen befinden sich immer wieder Rinderfarmen. Die Industriebetriebe laufen hier offensichtlich gut, dann die Eingänge sind weitläufig, reich verziert und pompös: mit großen Toren, weißen Steinen und Pflanzen. Bei der Bevölkerung kommt der Reichtum einiger Industrieller aber nicht an. Unser Reiseleiter erzählt von Drogen- und Jugendbanden, die sich gegenseitig bekriegen. Daher erhalten wir auch Polizeischutz: Die ganze Fahrt über begleitet uns ein schwarzer Polizei-Pickup mit zwei Polizisten, beide mit Maschinengewehren bewaffnet. Jeder darf in Guatemala eine Waffe besitzen. Und das sehen wir auch. Wir überholen einen zivilen Pickup, auf der Ladefläche sitzt ein Mann – und trägt eine große Shotgun an einem Schultergurt. Immer wieder stehen am Rand Wachleute, etwa an Tankstellen oder Restaurants. Alle sind mit langen Maschinengewehren bewaffnet. Uns wird mulmig. Aber wir zählen auch darauf, dass unsere bewaffnete Eskorte uns hier auf dem Pacific Highway beschützt.

 

 

Die Straßen in Guatemala sind zum Teil sehr schlecht. Wir fahren zum Beispiel zehn Minute über eine gut ausgebaute Autobahn – und plötzlich ist die Straße aufgerissen, hügelig und staubig und der Bus muss in die Eisen gehen und langsam darüber fahren. Die Pflanzen am Rand sind davon so zugestaubt, dass sie von oben bis unten und meterweit in den Dschungel hinein völlig in ein Beige-Grau gehüllt sind. Dazu kommen immer wieder Hindernisse auf den Straßen: Obwohl viele Menschen nicht genug zu essen haben, gibt es unzählige Geschwindigkeitshuckel. Diese sind aber nicht etwa staatsverordnet, die Einheimischen selber sorgen häufig für die Aufpflasterungen, um direkt vor ihrem Haus die Raserei zu beenden. Das führt dazu, dass die Huckel völlig ungleichmäßig sind, teilweise viel zu steil und auch manchmal brüchig.

 

Am Straßenrand sehen wir viele ruinöse Häuser, Menschen in einem einfachen Leben, ohne viel Besitz. Allgemein sind viele Menschen auf den Straßen, die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. Allerdings erfolgen viele Geschäfte informell, so dass die Statistik nicht wirklich greift. Die Ämter, so unser Reiseleiter, sind auch nicht allzu streng. Wer zum Beispiel ein Haus bauen möchte, erhalte eigentlich immer eine Genehmigung. Was dazu führt, dass die Häuser alle sehr individuell gebaut sind und die Straßenzüge sehr ungleichmäßig. Hier ist vieles erlaubt, was in Deutschland verboten ist. Allerdings führt die mangelnde Aufsicht auch dazu, dass die Häuser manchmal nicht stabil sind. In dem von Erdbeben und Vulkanausbrüchen geplagten Land kann dies schnell zu immensen Schäden an Häusern führen. Ein Beispiel dafür sehen wir auch auf unserer Fahrt: Ein ganzes Dort ist zerstört, Erdrutsche und ein Fluss haben fast alles mit sich gerissen, nur die Kirche steht noch, die Madonna ist in Asche gehüllt. Auch so etwas ist hier an der Tagesordnung. Kurz darauf beginnt wieder fruchtbares Land mit Kautschuk-Bäumen oder Bananenpalmen. Immer wieder stehen am Rand auch Kaffeesträucher. Unser Reiseleiter zeigt uns eine reife und eine unreife Kaffeekirsche. Unreif sind sie grün, reif sind die rot – und ganz rund. Schält man sie ab, kommen zwei Weiße halbrunde Stücke zum Vorschein. Das ist die Kaffeebohne, wie wir sie kennen. Nur „unsere“ Standard-Kaffeebohne eigentlich keine ganze Bohne ist, sondern nur die Hälfte. Der charakteristische Schlitz auf der Unterseite ist also die Mitte der einen Hälfte. Schwarz werden die weißen Stücke erst nach dem Rösten.

 

AtitlanSee

Der majestätische Atitlan See

Trotz einiger nachdenklicher Momente stimmt uns eines äußerst positiv: Die Menschen, die wir auf der Fahrt sehen, sind alle mehr als freundlich. Da fährt ein Bus mit arrogant und reich wirkenden Touristen durch das Land – und die Menschen lachen und winken. So etwas haben wir bisher in noch keinem Land erlebt. Wir winken gerne zurück und freuen uns.

 

Angekommen am Atitlán-See bekommen wir ein faszinierendes Bild geboten. Schon von der kleinen Stadt San Lucas Tolimán aus können wir sehen: Zwischen drei Vulkanen tut sich ein glasklarer Bergsee auf, spiegelglatt und ruhig. Die Luft hier auf 1.560 Metern ist rein, frisch, jeder Atemzug tut gut. Wir nehmen ein Wassertaxi und fahren einmal quer über den See. Entgegen unserer bisherigen Ziele brauchen wir hier erstmals wieder etwas zum Überziehen. Auf dieser Höhe ist es nun mal deutlich kälter. Der Atitlán-See ist ein Kratersee und die umliegenden Vulkanspitzen lassen sich bestens beobachten. Sie sind so hoch, dass die Wolken in ihnen hängen bleiben. Die bewachsenen Steilhänge sind einfach wunderschön und das klare Wasser mit seiner himmelblauen Farbe spielt mit in diesem Naturschauspiel. Das Wasser hat hier übrigens immer eine Temperatur von 19 Grad, das ganze Jahr über. Es werden thermale Quellen am Grund vermutet. Von der einst abwechslungsreichen Fauna ist allerdings nicht mehr allzu viel übrig geblieben, nachdem eine Barsch-Art eingeführt wurde, die sich der kleineren Fische nun bedient.

 

Frauen verkaufen Textilien

Frauen verkaufen selbstgemachte Textilien

Angekommen am anderen See-Ufer in Panajachel empfangen uns Einheimische, die uns bunte Textilien und Stoff-Figuren andrehen möchten. So schön die Farben auch sind, so wenig können wir diese Artikel gebrauchen oder tragen und so lehnen wir dankend ab. Um in die Stadt zu gelangen, betreten wir eine Hotelanlage – und damit eine bizarre Gegenwelt. Hier die Maya-Nachkommen, die vom Textilverkauf an Touristen leben und dort die modern Luxuswelt mit Pool und Glasfassade. Das Tor hinter und schließt sich und die Einheimischen stehen wir vor einem Gefängnistor, umfassen die Stahlstangen und rufen uns hinterher, dass wir doch noch etwas von ihnen kaufen. Von der Seite ertönen karibische Klänge von der riesigen Terrasse, auf der ein umfangreiches landestypisches Buffet geboten wird. Wenn ein Bild das Wort Parallelwelt oder Parallelgesellschaft ausdrückt, dann wohl dieses. Das Essen ist jedoch zum Glück nicht westlicher Pommesbuden-Standard, sondern landestypisch. Frische Guacamole und schwarzes Bohnenpüree. Der Gaumen freut sich und die Toilette am nächsten Tag bestimmt auch.

 

Auf der anderen Seite des Hotels, dem eigentlich Haupteingang, beginnt die Innenstadt. Hier nehmen wir uns ein Tuk-Tuk, neuerdings das Hype-Fortbewegungsmittel in Guatemala. Die überdachten Roller mit drei Rädern, einem Sitzplatz vorn und zwei hinten kommen aus Indien, wo sie auch sehr bekannt sind. Weil sie so preisgünstig sind, haben sich die kleinen Diesel-Sparwunder auch hier durchgesetzt. Würde nur noch fehlen, dass jetzt laute Comedy-Musik ertönt, während sich zwölf kleine Tuk-Tuks nach und nach durch die Straßen schlingern. Für uns ist das ein hautnahes Erlebnis, wir wackeln und tuckern durch die Stadt und tauchen so mehr in die Lebenswirklichkeit ein. Auf einem Markt machen wir halt und ergötzen uns an Bergen getrockneter Chili, frisch gepflückter Ananas von den lokalen Plantagen oder kleiner süßer Bananen, die – im Gegensatz zu dem, was wir bei uns Zuhause bekommen – nicht unreif gepflückt wurden. Für uns ein toller Tag mit vielen interessanten Eindrücken. Wenn da nicht ein Vorfall wäre, der uns doch reichlich Sorgen macht und den Traum unserer Weltreise zerstören könnte….

 

Katharinas Logbuch: Ich schlendere über den Markt und bewundere Handarbeiten der Maya. Decken in den prächtigsten Farben, Taschen und Tücher faszinieren mich. Ich gehe ein Schritt auf einen Stand zu. Da ist es passiert. Der Boden rast auf mich zu. Mein Fuß steckt in einem Loch und… lässt sich nicht bewegen. Ich kann nicht aufstehen. Thomas zerrt mich in die Senkrechte Position und als ich den Fuß aufsetze, will ich schreien. Es tut höllisch weh. Den Rest des Tages werde ich von Thomas und anderen starken Männern im wahrsten Sinne des Wortes auf Händen getragen. Über schaukelnde Stege, endlose Treppenstufen und holprige Wege zurück zum Schiff. Tatsächlich ist Thomas ganz und gar nicht alleine. Ein netter Herr hat sich sofort angeboten, mir zu helfen – und ich hätte sogar fast eine Fußballmannschaft zu meiner Verfügung. Die Hilfsbereitschaft unter den Menschen unserer Ausflugsgruppe kennt keine Grenzen. Ein Passagier, der Arzt ist, kümmert sich direkt um mich, seine Frau, Ex-OP-Schwester, legt mir einen Verband an. Ich fühle mich schon wie in einer Geschichte im „Traumschiff“. Angekommen am Schiff geht es mit dem Rollstuhl ins Bordhospital. Der Arzt verkündet, wenn es gebrochen ist, gibt es für drei Wochen einen Gips. (Wir sind in einer Woche in der Südsee!!!). Er tastet, klopft und macht schließlich eine Röntgenaufnahme. Seine Diagnose: LATEINISCHES WORT. Ein Fußtrauma, aber es scheint nichts gebrochen zu sein. Er sagt: „Sie haben Glück gehabt“. Erleichterung. Jetzt hilft nur noch abwarten, ob es besser wird. Erst dann kann er feststellen, ob nicht eine Sehne gerissen ist. Und trotz des Schmerzes hat der Unfall auch etwas Gutes: Für den Rest des Abends trägt Thomas mich übers Schiff wie eine Prinzessin.

 

Menschen auf dem Markt in Guatemala

Auf dem Markt in Guatemala

Guatemala. Der grün-rote Quetzal ist der heilige Vogel der Maya und hat auch der Landeswährung seinen Namen gegeben. Das Wort Guatemala kommt auch aus der Mayasprache (Quauhtemallan) und bedeutet „Ort der vielen Bäume“. Das Klima ist ganzjährig warm, die Durchschnittstemperatur beträgt 22 Grad (Hochland: 18, Küsten 25, Guatemala Stadt 19). Von Mai bis Oktober herrscht die Regenzeit, von November bis April die Trockenzeit. Grenzen gibt es zum Norden und Westen mit Mexiko, zum Südosten mit El Salvador und Honduras, zum Süden mit dem Pazifischen Ozean, zum Nordosten mit Belize und der Karibik. Vier Fünftel des Terrains sind Berghänge und Hochebene. Die Fläche Guatemalas beträgt gut 108.000 Quadratkilometer, das ist etwas größer als Island. Auf die Fläche verteilen sich 13 Millionen Einwohner, das ist die höchste Bevölkerungsdichte in Zentralamerika. Laut Statistik sind 60 % Katholiken und 30 bis 40 % Protestanten, wobei evangelische Sekten zunehmend stärker werden. Einheimische schätzen, dass mittlerweile der Anteil der Protestanten schon auf die Hälfte gewachsen ist. Daneben oder zusätzlich spielen noch alte Maya-Religionen eine Rolle. Die Hauptstadt ist Ciudad de Guatemala mit 4,2 Millionen Einwohnern. Die Stadt liegt der Küste des Pazifiks zugewandt, aber nicht direkt an der Küste. Offizielle Sprache ist Spanisch, daneben existieren noch mindestens 23 Maya-Sprachen. Guatemala erlitt in seiner Geschichte immer wieder schwere Naturkatastrophen. Erdbeben und 33 aktive Vulkane prägen Land und Städte bis heute. Die Zivilisation der Maya erlebte ihre Blütezeit zwischen dem 4. und 9. Jahrhundert. Bis zum 15. Jahrhundert war die Hochkultur weitgehend zerfallen, also noch bevor die Spanier eintrafen. Ein Großteil der Urbevölkerung starb dann noch an den von den Spaniern eingeschleppten Krankheiten, da die Immunsysteme diese Keime nicht gewohnt waren. Außerdem gab es noch heftige Kämpfe zwischen den Eroberern und den Ureinwohnern. Überlebende wurden Sklaven. Das heutige Antigua war beim Bau im 17. Jahrhundert die erste geplante Stadt Amerikas. Die Unabhängigkeit von Spanien erhielt Guatemala 1847. Das letzte große Unglück ereignete sich 1976, als ein Erdbeben über 24.000 Todesopfer forderte. Noch heute stammen etwas weniger als die Hälfte der Bevölkerung von den Maya ab. Gerade in dieser Bevölkerungsgruppe ist Armut und Analphabetentum weit verbreitet. Zwei Drittel der Maya-Jugendliche können nicht lesen und schreiben; allerdings auch ein Drittel der Guatemalteken ohne Maya-Abstammung. Einer der Touristenattraktionen sind die alten Maya-Stätten im Norden des Landes, die bekannteste davon ist die berühmte Ruinenstadt Tikal. Das älteste Gebäude stammt aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Die großen Tempelanlagen der alten Maya-Städte liegen grundsätzlich in der eher flachen Ebene der Halbinsel Yucatan, durch die sich heute die Grenze zwischen Mexiko und Guatemala zieht. Die Azteken herrschten übrigens nördlicher, die Inka weiter im Süden.
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