In der Innenstadt von Athen gibt es einen großen Streik an diesem Tag. Das ist seit anderthalb Jahren Normalität in Athen, so unsere Reiseleiterin. Das öffentliche Leben in Athen habe sich dramatisch verändert. Es gibt nun sogar schon eine Streik-Internetseite, bei der man morgens wie bei einer Stauprognose prüft, wo und wann gestreikt wird, damit man durch den Verkehr und durch die Absperrungen kommt. Wir bekommen davon aber ansonsten nichts mit, denn wir nutzen unseren zweiten Tag in Piräus, um die Küste von Attika zu erkunden, also den Regierungsbezirk Athen und Umgebung. Wir fahren vorbei an Mandarinenbäumen und zahlreichen Jachthäfen, unter anderem dem kleinen Mikrolimano, an dessen Promenade sich zahlreiche Restaurants und Cafés angesiedelt haben. Dann geht die Fahrt hinaus in die Vororte von Athen, die sich direkt am Meer befinden. Hier kostet eine 80-Quadratmeter-Wohnung 600 bis 800 Euro, kalt. Dennoch sind diese Stadtteile beliebt, weil manche Wohnungen Meerblick und bessere Parkmöglichkeiten bieten. Zudem erreicht man das Zentrum von Athen in einer halben Stunde mit einer Straßenbahn, die an der Küste entlang verläuft und pro Fahrt nur 1,40 Euro kostet – sehr günstig, im Gegensatz zum Benzin: Das kostet hier mittlerweile 1,70 Euro – pro Liter! Trotzdem ist die Lebensqualität in den Vororten anscheinend sehr hoch. Immer wieder sieht man kleine Sandbuchten, Hotels und Strandrestaurants, die in der dicht bevölkerten Region für Urlaubsstimmung sorgen. Seit etwa zehn Jahren trauen sich die Griechen hier auch wieder, im Meer zu baden. Es gibt Kläranlagen und die die Abwässer werden nicht mehr direkt ins Meer geleitet, sagt die örtliche Reiseleiterin. Früher war das anders.
Je weiter wir die Küstenstraße in Richtung Südosten fahren, desto weniger Häuser säumen den Weg und desto schöner wird die Landschaft. In Serpentinen schlängelt sich die Straße die Küste entlang. Immer wieder bieten sich uns spektakuläre Aussichten auf das Meer, kleine Inseln und Felsen im glasklaren Wasser. Die Ägäis glitzert dunkelblau und auch nur ein paar kleine weiße Wölkchen ziehen daher. Griechenland blüht im Frühling. Bunte Wiesenblumen sehen wir auf jedem Felsen. Ein Traum von einer mediterranen Landschaft. Unser Ziel ist das Cap Sounion, etwa 70 Kilometer südlich von Athen. Es markiert die süd-östlichste Stelle Attikas. Auf der 60 Meter hohen Klippe thront der Poseidon-Tempel aus dem Jahre 440 v. Chr. Nur 16 von den einst 34 Säulen stehen noch dort oben. Der weiße Marmor glänzt noch immer unter der mediterranen Sonne. Einer Sage nach wartete hier Ägäos auf seinen Sohn Theseus, der aus einer Schlacht gegen den Minotaurus zurückkehren sollte. Das Schiff von Theseus sollte weiße Segel hissen, falls er noch lebte. Dieser flaggte aber aus Versehen schwarz und der Vater stürzte sich vor Kummer ins Meer – weshalb das Meer heute die Ägäis heißt.
Der Ausblick von dem Felsen ist beeindruckend. Man schaut weit hinaus übers Meer und überblickt einen großen Teil der Küstenlinie. Die Landschaft ist wunderschön. Im Vordergrund gelbe und weiße Blumen, davor eine steil hinab fallende Küste, davor die nächste Biegung der Küste mit einer kleinen Bucht, im Hintergrund helle mediterrane Häuser an wiederum bewachsenen Berghängen. Jeder Maler käme hier auf seine Kosten. Auf den Steinen rund um den Tempel gibt es noch etwas Besonderes zu sehen: Rebhühner. Sie flitzen umher und wagen sich sogar nah an die Touristen heran. Denn das Cap Sounion und seine Umgebung ist Naturschutzgebiet.